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Chemie der Grenzschicht

Initiierung chemischer Reaktionen in Polymer-Polymer-Grenzschichten

Die Entwicklung neuer polymerer Verbundwerkstoffe beruht maßgeblich auf Kenntnissen der Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Werkstoffmaterialien innerhalb der Grenzschichten. Voraussetzung für eine stabile Komposit- oder Hybridbildung ist eine dauerhafte Verbindung zwischen den verschiedenen Polymermaterialien. Chemische, besonders kovalente Bindungen, aber auch physikalische Wechselwirkungen bewirken eine dauerhafte Adhäsion und belastbare Werkstoffe oder Bauteile.

Forschungsziel ist die Erzeugung einer festen Verbindung zwischen zwei oder mehreren Polymermaterialien durch die Initiierung von chemischen Kopplungsreaktionen lokal in Grenzschichten.

Mit Hilfe von Metallpartikeln, die in der Grenzschicht zwischen den zu koppelnden Materialien platziert und anschließend sehr kurzen magnetischen Hochfeld-Pulsen ausgesetzt werden, erreicht man ein lokales Erwärmen der Grenzschicht durch induzierte Wirbelströme. Bei Überschreitung der Aktivierungsenergie wird die Bildung kovalenter Bindungen zwischen den Polymeren angeregt. Eine thermische Belastung der Bulk-Polymere bleibt im Prozess gering, da sich nur die Grenzschicht lokal aufwärmt.

„Kalte“ Grenzschichtreaktionen

  • Wechselwirkungsarmer Transfer von Energie ins Innere des Materials.
  • Initiierung chemischer Reaktionen. Verarbeitungsprozesse ohne Erhitzung des Bulkvolumens.
  • Verarbeitung von Bio- bzw. nachwachsenden Makromolekülen.
  • Geringe Spannungen in den Materialgrenzflächen, da materialklassenabhängiger Schrumpf nach Erwärmung unterdrückt wird.

Biopolymere bzw. Biopolymer-Komposite sind aus Sicht der Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit den aus fossilen Rohstoffen hergestellten Polymermaterialien vorzuziehen. Beim Einsatz vom Kompositen oder der Hybridtechnologie tragen die Grenzschichten entscheidend zu den Materialeigenschaften bei. Ein gezieltes Grenzflächenengineering und leistungsfähige Analysemethoden sind notwendig.

Bei thermisch nicht stabilen oder hydrathüllenstabilisierten Biopolymeren ist ein konventioneller Verarbeitungsprozess bei hohen Temperaturen ausgeschlossen. Die Erwärmung des Bulkvolumens zur Verarbeitung bewirkt eine irreversible Zerstörung der molekularen Strukturen. Das Ziel muss sein, die Verarbeitungsenergie gezielt in die Grenzflächen einzutragen. Ohne prozessbasierte Wechselwirkung mit dem Bulkmaterial treten unerwünschte Prozesse wie Verfärbung, Schrumpf oder Kettenabbau nicht auf. Man spricht von der Nutzung von Verfahren zur Initiierung von „kalten“ Grenzschichtreaktionen.

Chemische Kopplung in magnetischen Hochfeldern

Magnetische Hochfelder mit Feldstärken von mehr als 70 T werden niederfrequent für den Energieeintrag in die Grenzschichten genutzt. Anwendung, z.B. chemisches Bonding/Debonding von thermolabilen Materialien, wie Hydrogelen oder Biopolymeren, auch als Festphasen-Umsetzungen sind durchführbar.

Elektromagnetische Hochfrequenzfelder zur Initiierung chemischer Reaktionen

Werden elektromagnetische Transducer in der Grenzschicht platziert, kann eine lokal begrenzte Energieabsorption eines elektromagnetischen Hochfrequenzfeldes erzielt werden. Anwendungen sind z.B. chemische Grenzschichtreaktion oder Kettenspaltungen, die eine zweite innere Phase im Material erzeugen, Kettenwachstum bzw. -vernetzung von Biopolymeren an Fest-Flüssig- Grenzflächen.