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Selbstregulierende Materialien verhindern Blutgerinnung

Der menschliche Organismus nutzt rückgekoppelte molekulare Steuerungsmechanismen, um sich an Veränderungen in seiner Umgebung anzupassen. Synthetische Materialien verfügen bisher noch nicht über solche Regulationsmöglichkeiten. Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Polymer­forschung Dresden (IPF) konnten jetzt ein Material entwickeln, das die Blutgerinnung durch die selbständig gesteuerte Freisetzung von Hemmstoffen effektiver verhindern kann als alle anderen Materialien, die derzeit klinisch verwendet werden. Das von den Dresdner Forschern am 19. Juli in der Fachzeitschrift Nature Communications publizierte Konzept soll künftig für die Beschichtung von Medizinprodukten genutzt werden, die im Blutkontakt zur Anwendung kommen.

Die Aktivierung der Blutgerinnung beim Einsatz von Produkten wie Kathetern oder Organersatz­systemen wie der künstlichen Niere ist ein zentrales Problem der Medizintechnik. Klinisch erhalten die betroffenen Patienten blutverdünnende Medikamente, so genannte Gerinnungshemmer, was jedoch ein erhebliches Risiko für gefährliche Nebenwirkungen mit sich bringt. Die präzise Dosierung der Hemmstoffe ist daher sehr wichtig. Hier setzte die Forschung der IPF-Wissen­schaftler an. Sie entwickelten ein Hydrogel, das aus dem Blutgerinnungshemmstoff Heparin und einem gut verträglichen, synthetischen Polymermolekül besteht. Zur Verknüpfung dieser beiden Bausteine verwendeten sie Eiweißfragmente, die durch das im Blutgerinnungsprozess entstehende Enzym Thrombin gespalten werden. Mit diesem Trick kann der Gerinnungshemmer selbstregulierend, also nur bei Aktivierung der Blutgerinnung, freigesetzt werden: Überdosierung wird vermieden und das Material kann seine Schutzwirkung länger gewährleisten. Um das Potential des bioaktiven Hydrogels zu belegen wurde gezeigt, dass menschliches Vollblut im Kontakt mit diesem Material auch ohne Zusatz von Gerinnungshemmern über mehrere Stunden flüssig gehalten werden kann, während an derzeit klinisch verwendeten Materialien unter gleichen Bedingungen eine massive Blutgerinnung auftritt. Darüber hinaus konnte nachgewiesen werden, dass das Hydrogel auch eine nicht durch den Materialkontakt hervorgerufene Gerinnungs­aktivierung wirksam unterdrücken kann.

Laufende Arbeiten der Dresdner Forscher zielen nun auf die Anwendung des neuartigen Materials als Beschichtung von Produkten, die in der Medizintechnik direkt in Kontakt mit Blutkreislauf gebracht werden. Darüber hinaus erkunden sie weitere Möglichkeiten zur Steuerung von Materialeigenschaften durch biologische Regulationsprinzipien, beispielsweise für eine durch charakteristische pathologische Prozesse kontrollierte Freisetzung von Medikamenten.

Publikation:
Bio‐responsive polymer hydrogels homeostatically regulate blood coagulation, Manfred F. Maitz, Uwe Freudenberg, Mikhail V. Tsurkan, Marion Fischer, Theresa Beyrich, Carsten Werner, Nature Communications,
http://dx.doi.org/10.1038/ncomms3168

Kontakt: Prof. Dr. Carsten Werner

23.07.2013

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