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Mit Ton zu innovativen Kunststoffen

Dr. A. Leuteritz, Dr. D. Pospiech und B. Kretzschmar (v.l.n.r.)

Den von der Dresdner Bank AG in Dresden geförderten Innovationspreis des Leibniz-Instituts für Polymerforschung Dresden e. V. (IPF) und des Vereins zur Förderung des IPF erhalten in diesem Jahr gemeinschaftlich Bernd Kretzschmar, Dr. Doris Pospiech und Dr. Andreas Leuteritz. Ausgezeichnet werden sie für die Entwicklung von sogenannten Polymer/Schicht­silikat-Nanokompositen. Dabei handelt es sich um Kunststoffmaterialien, denen durch Zusatz von Tonmineralen spezielle Eigenschaften verliehen werden.

Im Ergebnis der Forschungsarbeiten wurde unter anderem in Kooperation mit einem Autohersteller der Prototyp eines Karosseriebauteils entwickelt. Um Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen zu senken, wird im Automobilbau konsequenter Leichtbau angestrebt. Metallische Materialien sollen wo immer möglich durch leichtere Kunststoffe ersetzt werden. Dabei kommt es nicht nur auf vergleichbar hohe mechanische Eigenschaften an, sondern die Kunststoffe müssen auch spezifischen Anforderungen des Fahrzeug-Produktionsprozesses gerecht werden. Hier bieten die neu entwickelten Nanokomposite vielversprechende Lösungen: Die mineralischen Füllstoffe sorgen dafür, dass Kunststoffanbauteile besser in die gesamte Fahrzeugoberfläche integriert werden können.

Dank einer erhöhten Wärmeformbeständigkeit lassen sie sich zusammen mit der Stahlkarosserie on-line im industriell üblichen Lackierverfahren (kathodische Tauchlackierung) beschichten. Für herkömmliche Kunststoffe war das bei Temperaturen von kurzzeitig mehr als 200 °C bisher nicht möglich, und getrennte Lackierprozesse waren nicht nur technologisch aufwändiger, sondern verursachten häufig störende Unterschiede in Farbton, Glanz und Oberflächenbeschaffenheit.

Durch die Reduzierung des thermischen Ausdehnungskoeffizienten der Kunststoff-Nano­komposite zur besseren Angleichung an den der Metallbauteile wird außerdem die Gestaltung von Fugen zwischen unterschiedlichen Materialien im Auto optimiert.

Das Potential von Schichtsilikaten zur Eigenschaftsmodifizierung von Kunststoffen wurde bereits vor ca. 15 Jahre erkannt. Weltweit arbeiten seither eine Reihe von Forschergruppen an diesem Thema. Die Arbeiten der Forscher am IPF zeichnen sich gegenüber denen der meisten anderen Gruppen dadurch aus, dass sie von Anbeginn nicht allein durch akademisches Interesse geprägt waren, sondern auf der Basis der Erarbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen konsequent auf eine industrielle Überführbarkeit der Ergebnisse abzielten. Die das IPF auszeichnende enge Kooperation von Naturwissenschaftlern und Ingenieuren war die Grundlage dafür, dass scale-up-fähige und kommerziell interessante Lösungen erarbeitet werden konnten, die sich mittlerweile bei mehreren Firmen in der industriellen Überführung befinden.

Neben Bauteilen für die Automobilindustrie werden dabei z.B. auch Agrarfolien entwickelt, die sich durch eine höhere Lebensdauer auszeichnen. Bei Folien aus biologisch abbaubaren Polymeren wird durch die Einarbeitung von Schichtsilikaten die Gasdurchlässigkeit verringert.

Um die anorganischen Tonminerale in Polymere einarbeiten zu können, mussten sie zunächst gezielt vorbehandelt werden. Bei den für die Forschungsarbeiten am IPF ausgewählten Schichtsilikaten, speziell Montmorilloniten, wurde dafür ihr hohes Ionenaustauschvermögen genutzt, das sich daraus ergibt, dass zwei Tetraeder-Schichten über Ionen in einer Zwischenschicht elektrostatisch miteinander verbunden sind. Mittels Quellung oder Austausch der Calzium- oder Natrium-Kationen in den Zwischenschichten gegen langkettige organische Amine werden die Schichten aufgeweitet und der mineralische Füllstoff mit dem organischen Polymer verträglich gemacht.
Wird das so modifizierte Mineral dann der Kunststoffschmelze in einem industriell üblichen Verarbeitungsprozess im Extruder zugesetzt, kann es - bei Auswahl geeigneter Vearbeitungs­parameter - gleichmäßig als einzelne Partikel im Nanometerbereich in der Kunststoffmatrix verteilt werden und mit dem Kunststoff eine feste chemische Bindung eingehen. Beides ist erforderlich, um eine langzeitstabile Verstärkung des Kunststoffs zu erreichen und um die Qualität des Erscheinungsbildes, ggf. die Transparenz, des Kunststoffbauteils nicht zu beeinträchtigen.

Sowohl hinsichtlich der chemischen Modifizierung als auch der Anpassung und Optimierung der Verarbeitungstechnologie zur Herstellung von Nanokompositen von Schichtsilikaten mit unterschiedlichen, industriell weit verbreiteten Polymeren, z.B. Polypropylen, Polyamid, und Polyester, wurden durch die Preisträger wegbereitende Arbeiten geleistet.

14.11.2008

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