Oberflächenmodifizierung mit Nano- und Mikropartikeln
Als Modifikatoren können nicht nur funktionelle Polymere eingesetzt werden, sondern z.B. auch Partikel. Der Ablauf ist in Abbildung 1 dargestellt.
Ablauf bei der Immobilisierung von Partikeln an der Schmelzeoberfläche am Beispiel des Spritzgießprozesses.
1. Applizierung der Partikel auf die Werkzeugoberfläche, z.B. durch Spray-Coating einer kolloiden Lösung; in Grundlagenversuchen wird auf ein Substrat appliziert und dieses in die Spritzgießmaschine eingelegt;
2. Schließen des Werkzeugs;
3. Einspritzen der Schmelze und Einbetten der Partikel an der Schmelzeoberfläche;
4. Bei der Entformung werden die Partikel vom Werkzeug auf das Formteil übertragen.
Schema der erzeugten Struktur. Das von einer Hülle aus einem reaktiven funktionellen Polymer umgebenden Partikel ist über dieses Polymer sowohl chemisch (Initiierung der Kopplungsreaktion durch Schmelzetemperatur) als auch mechanisch eingebunden. Die nicht eingebundenen funktionellen Oberflächenbereiche stehen für chemische Wechselwirkungen mit der Umgebung zur Verfügung.
Beispiel: Einbettung von Gold-Nanopartikeln (AuNP)
Elektronenmikroskopische Aufnahmen.
Links oben: REM-Aufnahme von AuNP (20 nm Druchmesser) auf dem Substrat;
links unten: AuNP an der Kunststoffoberfläche;
rechts: TEM-Aufnahme eines Dünnschnitts (Dicke 50 nm) senkrecht zur Oberfläche und Fotografie des erzeugten Teils.
Die Anordnung der Partikel wird durch die fließende Schmelze nicht verändert. Die AuNP bilden an der Kunststoffoberfläche eine Monoschicht, so wie vorher auf dem Substrat. Es gibt keine Verwirbelungen, Verschiebungen, Rückvermischungen. Die Oberflächenrauheit des Formteils ist kleiner als die Partikelgröße, sie wird im Wesentlichen durch das Substrat bestimmt. Die Dichte der AuNP-Monoschicht färbt das ganze Teil intensiv rot.
Katalytische Aktität der immobilisierten AuNP. Methylorange wird durch NaBH4 unter der katalytischen Wirkung von AuNP reduziert. Die Aktivität der AuNP, immobilisiert an der Kunststoberfläche, ist kleiner als auf dem Substrat durch teilweise Einbettung.
Beispiel: Einbettung von Silica-Nanopartikeln
An einer Kunststoffoberfläche eingebettete SiNP (200 nm Durchmesser)
Konkurrierende Prozesse bei der Einbettung von Partikeln.
Beim Spritzgießen bewegt sich die Schmelze typischerweise im Quellfluss. Der Geschwindigkeitsvektor beim Auftreffen auf die Werkzeugoberfläche und damit auch der Partikel, sofern diese klein genug sind, ist senkrecht zur Oberfläche. Die Grenzflächenspannung führt zur Benetzung der Partikel durch die Schmelze. Gleichzeitig tritt bei Kontakt mit kalten Oberflächen im interessierenden Größenbereich sofort eine extrem starke Abkühlrate auf. Dadurch wird dieser Zustand praktisch eingefroren. Von grundlegendem Interesse sind Abweichungen von diesen Grundsätzen: Welche Prozesse dominieren unter bestimmten Bedingungen? Lässt sich die Einbettungstiefe kontrollieren?
Anwendungsmöglichkeiten der nanopartikelmodifizierten Schichten
Die Nanopartikelschichten verleihen der Polymeroberfläche typische Eigenschaften von anorganischen Materialien. Entsprechend sind Polarität, Benetzbarkeit, mechanische Eigenschaften wie Härte und Abrieb einzuschätzen. Spezielle Eigenschaften wie beispielsweise elektronische Leitfähigkeit in Verbindung mit Transparenz oder eine katalytisch oder antibakterielle Ausrüstung können mit entsprechenden Nanopartikelstrukturen erzielt werden. Einige Metallnanopartikel absorbieren Licht und wandeln es lokal in Wärme um, was zur Strukturbildung, Informationsspeicherung oder für weitere Aufbaureaktionen genutzt werden kann.
Weitergehende Anwendungsmöglichkeiten könnten erschlossen werden, wenn es gelingt, komplexe Strukturen, die aus Multischichten unterschiedlicher Nanopartikel oder Polymere bestehen, genauso effektiv und unter Strukturkontrolle zu übertragen.
Die immobilisierten Schichten einiger Nanopartikel erlauben weitere Aufbaureaktionen, mit denen Stoffe gekoppelt werden können, die die thermische Belastung beim Spritzgießen nicht tolerieren. Beispielsweise können Verbindungen, die Thiole enthalten und weitere Funktionen mitbringen, an Goldnanopartikel gebunden werden. So dienen die produzierten Schichten als Grundlage für weitere Funktionalisierungen, die mit dem unmodifizierten Thermoplast nicht oder nur aufwändig realisiert werden könnten.